Dynamische Anpassung der Freibeträge in der Eingliederungshilfe
Grundlagen der Beitragsbemessung
Die Berechnung der Eigenbeteiligung an Leistungen der Eingliederungshilfe orientiert sich seit der dritten Reformstufe des BTHG an der jährlichen Bezugsgröße nach §18 SGB IV. Für 2024 wurde diese Bezugsgröße von 40.740 € auf 42.420 € angehoben, was einer Steigerung von 4,1% entspricht. Diese Anpassung folgt der allgemeinen Lohnentwicklung und sichert, dass Freibeträge nicht durch Inflation ausgehöhlt werden.
Einkommensfreibeträge 2024
Die Differenzierung nach Erwerbsformen bleibt bestimmend:
- Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung/Selbstständigkeit: Der Freibetrag liegt bei 85% der Bezugsgröße, steigt also von 34.629 € (2023) auf 36.057 € (2024). Dies begünstigt insbesondere Menschen mit Behinderungen, die am ersten Arbeitsmarkt tätig sind.
- Nicht sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten: Hier gilt ein Satz von 75%, was zu einem Freibetrag von 31.815 € führt (2023: 30.550 €). Diese Kategorie umfasst etwa geringfügige Beschäftigungen oder Ehrenämter.
- Renteneinkünfte: Mit 60% der Bezugsgröße (25.452 €) wird der Schutzbedarf älterer Leistungsbezieher berücksichtigt, deren Alterseinkünfte oft geringer ausfallen.
Vermögensfreibeträge
Der Vermögensfreibetrag wurde auf 150% der Bezugsgröße festgelegt, was 2024 63.630 € entspricht (2023: 61.110 €). Diese Erhöhung ermöglicht es Begünstigten, Rücklagen für Notfälle oder größere Anschaffungen zu bilden, ohne Leistungskürzungen befürchten zu müssen.
“Die dynamische Kopplung an die Bezugsgröße schafft Planungssicherheit und verhindert, dass Freibeträge durch schleichende Entwertung ihre Schutzfunktion verlieren.”
Das Persönliche Budget: Ausweitung der Selbstbestimmung
Rechtsanspruch und Antragsmodalitäten
Seit 2008 besteht ein bundesweiter Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget (§29 SGB IX), der 2024 durch vereinfachte Antragsverfahren gestärkt wurde. Leistungsberechtigte können Anträge bei jedem Rehabilitationsträger einreichen, wobei eine trägerübergreifende Koordination verpflichtend ist. Neu ist die verpflichtende Budgetberatung vor Antragstellung durch anerkannte Behindertenverbände.
Höhe und Verwendungszwecke
Die Budgethöhen variieren extrem – von 36 € bis 12.683 € monatlich –, wobei der Median bei 500 € liegt. Typische Anwendungsbereiche umfassen:
- Ambulantes Wohnen: 43% der Budgetnehmer nutzen es für Unterstützung beim Auszug aus stationären Einrichtungen.
- Arbeitsplatzassistenz: 28% der Budgets finanzieren Hilfen am ersten Arbeitsmarkt, etwa technische Arbeitshilfen oder Jobcoaching.
- Persönliche Assistenz: 19% entfallen auf Alltagshilfen wie Begleitung zu Arztterminen oder Haushaltsführung.
Innovationsbereich: Trägerübergreifende Budgets
Erstmals wurden 2024 verbindliche Standards für trägerübergreifende Budgets eingeführt. So müssen etwa Leistungen der Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe in einem einheitlichen Bewilligungsbescheid zusammengefasst werden. Pilotprojekte wie in Bielefeld zeigen, dass solche Budgets die Koordination zwischen Ämtern um 60% beschleunigen.
Interaktion zwischen Eingliederungshilfe und Persönlichem Budget
Anrechnungsregeln
Die Grundsätze der Einkommens- und Vermögensanrechnung gelten für beide Leistungsformen identisch. Allerdings ermöglicht das Persönliche Budget durch seine Flexibilität oft höhere Nettonutzen:
- Beispielrechnung: Ein Budgetnehmer mit 1.200 € Monatseinkünften hätte bei Sachleistungen 360 € (30%) Eigenanteil. Durch gezielte Budgetverwendung (z.B. preisgünstige Freelancer-Assistenz) kann der Eigenanteil auf 240 € sinken.
Wohnmodelle
Der Gesetzgeber fördert explizit Kombimodelle: Bis zu 50% des Budgets dürfen für stationäre Grundleistungen, der Rest für individuelle Zusatzangebote verwendet werden. In der Betheler Wohnstätte etwa nutzen 70% der Bewohner Teile ihres Budgets für kulturelle Teilhabe außerhalb der Einrichtung.
Administrative Herausforderungen
Bürokratieabbau
Trotz vereinfachter Antragsverfahren berichten 68% der Budgetnehmer von mindestens dreimonatigen Bearbeitungszeiten. Kritisch bleibt die fehlende Digitalisierung: Nur 12% der Leistungsträger akzeptieren Online-Anträge.
Beratungsinfrastruktur
Die gesetzlich vorgeschriebene Budgetassistenz wird durch 1.200 EUTB-Beratungsstellen und spezialisierte Anbieter wie die ISL gewährleistet. Deren Telefonhotline verzeichnete 2024 18.000 Beratungskontakte – ein Anstieg um 40% gegenüber 2023.
Ausblick 2025
Bereits beschlossene Änderungen sehen für 2025 eine weitere Anhebung des Vermögensfreibetrags auf 67.410 € (+6%) vor. Zudem plant das BMAS ein digitales Budgetportal zur vereinfachten Antragstellung und Abrechnung.
Forschungsdesiderata
Studien zur Langzeitwirkung des Persönlichen Budgets zeigen gemischte Ergebnisse: Während 74% der Nutzer ihre Lebensqualität als verbessert ansehen, klagen 63% über administrativen Mehraufwand. Hier bedarf es weiterer Evaluierung, um die Reformen praxistauglich zu gestalten.
Fazit
Die Reformen 2024 markieren einen Meilenstein hin zu einem bedarfsorientierten Teilhaberecht. Durch die Kopplung der Freibeträge an die Bezugsgröße und die Flexibilisierung des Persönlichen Budgets wird Inklusion konkret erfahrbar. Gleichzeitig zeigt sich, dass rechtliche Ansprüche allein nicht genügen – ihre Umsetzung erfordert kontinuierliche Investitionen in Beratungsstrukturen und digitale Infrastruktur.